Young, Thomas

engl. Arzt, Physiker und Sprachwissenschaftler


Young, Thomas
Kurz & Kompakt
Geburtstag:13. Juni 1773
Geburtsort:Milverton
Geburtsland:Großbritannien
Sterbedatum:10. Mai 1829
Sterbeort:London
Sterbeland:Großbritannien

Thomas Young wurde am 13. Juni 1773 in Milderten in Somersetshire geboren. Er war Augenarzt und Physiker, interessierte sich für Botanik, beherrschte aber bereits als Kind mehrere Sprachen. Nach seinem Studium der Medizin promovierte Young 1796 in Göttingen. 1794 wurde er Fellow der Royal Society in London, zwischen 1801 und 1804 war er als Professor für Physik am Royal Institute. Er war von 1804 bis zu seinem Tod mit Eliza Maxwell verheiratet.

Ägyptomanie in London

In den 1820er Jahren war Europa von einer Ägyptomanie erfasst: Man war von der Kultur des Alten Ägypten überaus begeistert. In London eröffnete 1821 in Piccadilly eine bahnbrechende Ausstellung. Hier befand sich die Egyptian Hall, ein 1812 im sogenannten ägyptischen Stil erbautes Museum. Ausgestellt war ein Modell eines ägyptischen Grabs, 15 m lang und damit etwa ein Sechstel der Originalgröße betragend. Reproduktionen der zwei eindrucksvollsten Kammern eines tatsächlich gefundenen ägyptischen Grabs waren dort zu sehen, inklusive einer Mumie, beeindruckender Basreliefs mit Szenen aus dem Leben eines Pharaos und Hieroglyphen. Diese Dekorationen waren nach Wachsabgüssen erstellt worden. Die beiden Mumien und ein Stück Seil (das von Grabräubern stammte) waren sogar Originale. Ein leerer, aus weißem Alabaster bestehender Sarkophag mit einer Länge von drei Metern stand im Mittelpunkt der Ausstellung. Er war innen und außen reich beschriftet. Der Sarkophag gelangte nach der Ausstellung ins British Museum und wurde 1824 in Privatbesitz verkauft. Der neue Besitzer machte ihn im Rahmen von Parties und privaten Begehungen seiner Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich – dieser Sarkophag begründete die Ägyptomanie Londons, könnte man sagen. Er wurde als das "vermutliche Grab des Psammis" bekannt [1].

Niemand konnte zum Zeitpunkt der Ausstellungen und Mumien-Parties in London die Hieroglyphen lesen. Ägyptische Priester hatten die Schrift im 4. Jahrhundert n. Chr. zum letzten Mal gebraucht, seither war das Wissen darum verloren gegangen. Der Name Psammis dagegen war durch Dr. Thomas Young bekannt geworden.

Die Entzifferung der Hieroglyphen

Im Allgemeinen wird die Entzifferung der Hieroglyphen dem Franzosen Jean François Champollion zugeschrieben. Ganz richtig ist dies jedoch nicht. Schließlich war Young der erste, der nach etwa 1.000 Jahren der Dunkelheit, die ersten Hieroglyphen richtig "übersetzte". Zwar war Young Augenarzt und galt als führender Physiker und Mathematiker seiner Zeit, aber er war auch als Sprachwissenschaftler äußerst talentiert. Zwischen 1814 und 1819 hatte sich Young mit der Entzifferung der Hieroglyphen befasst.

Thomas Young ging bei seinen Bemühungen vom Rosettastein aus. Der Stein war von Soldaten der Armee Napoleons im Jahr 1799 in Rosette, Ägypten bei Schanzarbeiten gefunden worden. Auf dem Stein war ein Text in drei Schriften wiedergegeben, in Hieroglyphisch, Demotisch und Altgriechisch.

Die griechische Schrift und Sprache war bekannt. Der Text war dementsprechend schnell übersetzt. Es handelte sich um ein Dekret, das im Rahmen einer Priestersynode in Memphis beschlossen worden war. Es datierte auf das Jahr 196 v. Chr. und wurde auf Befehl des makedonischen Herrschers Ptolemaios V. Epiphanes in allen Tempeln Ägyptens ausgestellt [2].

Die Bedeutung des Steins für die Entzifferung der Hieroglyphen wurde schnell erkannt. Von der Inschrift des Rosettasteins wurden zahlreiche Kopien gefertigt und an verschiedene Gelehrte in England und Frankreich geschickt. Thomas Young war somit neben Jean François Champollion nicht der Einzige, der sich mit der Transkription befasste.

Young vermutete, dass die in der Schrift enthaltenen Kartuschen (Worte, die oval umrandet worden) von besonderer Bedeutung sind. Dort wurden beispielsweise besonders wichtige Worte wie Herrschernamen untergebracht. Er schaffte es über Vergleiche mit bekannten Kartuschen aus Tempeln, die Namen der Herrscher Ptolemäus, Kleopatra und Berenike zu entziffern. Insgesamt konnte er durch den Vergleich der Zeichen ein rudimentäres Alphabet erstellen, 14 Alphabetwerte waren ihm allein durch die drei Herrschernamen bekannt. Basierend auf seinem System las man aus den Hieroglyphen des Sarkophags heraus, dass Psammis der Besitzer sei.

Anmerkung des Autors: Der Sarkophag hatte mit Psammis nichts zu tun. Der Herrscher wurde bisweilen auch als Psammetich oder Psammuthis angegeben. Der Abenteurer Belzoni war auf diese Idee gekommen, er hatte sich die Kartuschen auf dem Sarkophag zusammen mit seinem Kollegen Ricci angesehen. Und die prominente Kartusche des Sarkophags verglichen die Herren mit den Namen ägyptischer Herrscher, die sie aus Schriften von Herodot, von Manethos und Plinius kannten. So kam man auf den Namen Psammis. Thomas Young hatte diese Vermutung ebenfalls geäußert. Später stellte sich heraus, dass Young die Kartusche des Pharaos zwar korrekt mit Psammis identifiziert hatte. Der Sarkophag war jedoch für Seht's hergestellt worden, den heute als Seti I. bekannte militärisch erfolgreiche Herrscher der 19. Dynastie. Seti I. trat 1291 v. Chr. in die Nachfolge von Ramses I., seines Vaters.

Young ging davon aus, dass die Hieroglyphen in zwei verschiedenen Systemen abgefasst worden waren. Laut Young gab es ein System aus Alphabetzeichen, die für die Schreibung der ptolemäischen Königsnamen verwendet worden war. Daneben sah er ein System von symbolhaften Hieroglyphen, die für alle übrigen Texte im Einsatz gewesen sein sollten.

Obwohl Thomas Young anfangs sehr erfolgreich war und ihm tatsächlich als Erster der Durchbruch in der Entzifferung der Hieroglyphen gelang, führte er seine Arbeiten nicht weiter fort. Der zielstrebige Champollion wurde durch die Erkenntnisse Youngs inspiriert und erkannte, dass etwa dreimal soviel hieroglyphische Schriftzeichen auf dem Stein zu sehen waren als da griechische Buchstaben standen. Champollion gelang es schließlich, die Hieroglyphen als eine Mischung aus phonetischen und ideographischen Zeichen zu begreifen. Beide Forscher führten zu Beginn ihrer Arbeiten eine freundschaftliche Korrespondenz miteinander, die später in den Streit um die Entdeckung mündete. Durch den frühen Tod Youngs, am 10. Mai 1829 in London, wurde dieser Streit abrupzt beendet.

Seine Witwe übergab die originalen Arbeitsmaterialien, die Young bei der Entzifferung der Hieroglyphen erstellt hatte, nach seinem Tod an George Peacock. Peacock schrieb die bis heute als Standardwerk geltende Biographie Youngs. Allerdings galten die Materialien seitdem als verschwunden, bis sie vor einigen Jahren im Lager eines Antiquitätenhändlers überraschend wieder auftauchten. Sie hatten die Zeit in einer Kiste mit Materialien aus dem Ersten Weltkrieg überdauert.


Quellenangaben:

[1] Robinson, Andrew: Wie der Hieroglyphen-Code geknackt wurde, 1. Auflage, Verlag Philipp von Labern, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2014, S.7-8
[2] Altenmüller, Hartwig: Einführung in die Hieroglyphenschrift, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Helmut Buske Verlag, Hamburg, 2010, S.9-11
[3] Peacock, George: Life of Thomas Young. Verlag John Murray, London,1855