John Edgar Hoover war von 1924-1972 Direktor des Federal Bureau of Investigation (FBI) der Vereinigten Staaten von Amerika. 48 Jahre lang besetzte er eine der einflussreichsten Positionen des Landes. Er sah 8 Präsidenten kommen und gehen und saß bis zu seinem Tod unantastbar auf einem selbst geschaffenen Thron. Mit voller Hingabe und ausgeprägtem Selbstbewusstsein hatte er sich zu einer Instanz gemacht, an der nicht zu rütteln war. Eine Biographie über J. Edgar Hoover beinhaltet deswegen unweigerlich einen Abriss über die mit der nationalen Sicherheit betrauten obersten amerikanischen Polizeibehörde.
Hoover war prädestiniert für den Job. 1895 wird er in das wohlhabende Viertel Washingtons hineingeboren, in dem die Regierungsbeamten leben – gleich in Sichtweite des Capitols. Die Menschen hier sind weiß, gläubig, selbstzufrieden und von ihren Werten überzeugt. Nichts Fremdes stört die amerikanische Idylle. Seine Familie ist angesehen, der Vater im Staatsdienst. Die Mutter kümmert sich liebevoll um ihre Kinder. Bis zu ihrem Tod wird sie für ihn oberste Autorität in moralischen Fragen bleiben. Er ist ein guter Schüler, engagiert sich in der Sonntagsschule, tut sich mit besonderer Argumentationskraft im Debattierteam an der High School hervor und wird in seinem Abschlussjahr zum Hauptmann des Kadettencorps ernannt. Er erfüllt seine Aufgaben leidenschaftlich; und er ist eine Führungspersönlichkeit. Dann studiert er Jura – unerlässlich für den Staatsdienst. Um Geld zu verdienen, beginnt er als Laufbursche in der Kongressbibliothek. Hier verfeinert der pedantische und ordnungsliebende Hoover sein Talent für Systematiken, Kataloge und Register. [1]
Nach erfolgreichem Universitätsabschluss wird er 1917 als Anwalt beim Obersten Gericht des District of Columbia angenommen. Schon im Dezember desselben Jahres ist er vollständig in das Alien Enemy Bureau integriert, eine Abteilung des Justizministeriums. Dort ist er mit der Registrierung von Ausländern und internierten Feinden betraut. Er fasst Akten zusammen, bewertet Fälle und erarbeitet sich Mitspracherecht und Entscheidungsfreiheit. Wiederum erwirbt Hoover in kürzester Zeit wertvolle Fähigkeiten, die für seine spätere Position von erheblichem Vorteil sein werden. 1918 befördert man ihn zum Justizbeamten, ein Jahr später zum Sonderbeauftragten des Justizministers und erklärt ihn zum Ausländerexperten. [2] Dazu befähigen ihn nicht nur seine Erfahrungen im Alien Enemy Bureau, sondern auch die offen zur Schau getragene Entschiedenheit, mit der er gegen den Kommunismus vorgeht. Schon in seiner Kindheit geprägt, erhält sein Feindbild, das Schreckgespenst Bolschewismus, während der Kriegsjahre und unmittelbar danach den letzten Schliff. Er wird Amerikas entscheidende, obsessive Figur im Kreuzzug gegen den Kommunismus und kann daher als 'Vater des Kalten Krieges' verstanden werden. [3]
1924 wird Hoover mit nur 29 Jahren zum Direktor des BOI, dem späteren FBI, ernannt und ist nicht mehr zu bremsen. Er fegt durch die Abteilung und arrangiert alles nach seinem Willen. Die Agenten durchlaufen nun eine eigens auf sie zugeschnittene Ausbildung; das zentrale Register für Fingerabdrücke wird eingeführt; Zuständigkeitsbereiche werden erweitert, Staaten überschreitende Gangster endlich gestellt [4]. Das FBI soll so autonom wie möglich agieren. Um dieses Ziel zu erreichen, nahm Hoover es bereitwillig in Kauf, die ein oder andere Regel zu beugen. Und er tut alles, um der Behörde ein strahlendes Image zu verpassen. Das US-amerikanische Volk sollte sicher sein, dass es von ihm und dem FBI beschützt wird. Er und das FBI werden eins; es war keine Arbeit mehr, es war eine Verkörperung. Bis Anfang der 40er Jahre katapultiert er die Institution mit harter Hand an eine der mächtigsten Positionen der Vereinigten Staaten.
Als Roosevelt 1940 Hoover die Abhörerlaubnis für amerikanische Staatsbürger erteilte, öffnete er ihm damit Tür und Tor zu weiterer Macht.[5] Hoover wird von nun an nicht nur intime Informationen über ausländische Staatsfeinde sammeln, sondern auch über amerikanische Politiker und einflussreiche Persönlichkeiten. Mit der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre wird Kritik laut, Hoover erpresse jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Und in der Tat hat man mittlerweile einen Teil der Secret Files einsehen dürfen, in denen Hoover Informationen für seine persönlichen Zwecke sammelte. Frei nach dem Motto Wissen ist Macht katalogisierte er die Affären der Kennedy-Brüder, erstellte Akten über Eisenhower, Eleanor Roosevelt, über Bürgerrechtler wie Martin Luther King, über Mitglieder linksliberaler Gruppierungen, über Reagan, Johnson, Nixon. [6] Die Liste ist lang. Die Akten beweisen, dass Hoover massiv in die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte der jeweiligen Personen eingegriffen und sich illegal Informationen verschafft hat, um seine Stellung zu sichern und seinen Willen durchzusetzen.
All dies kann erst seit Hoovers Tod umfassend aufgearbeitet werden, da der Mann, der sich auf die Geheimnisse anderer spezialisierte, sehr gut darin war, seine eigenen zu verbergen. Seit die Informationen ans Licht gekommen sind, hat der Ruf des FBI schweren Schaden genommen und sich bis heute nicht vollständig erholt. Nicht nur insofern wirft Hoover einen langen Schatten, sondern auch sein Hass gegen Andersdenkende hat sich so tief in die Köpfe der US-Amerikaner eingebrannt, dass bis zum heutigen Tag sozialdemokratische Politiker leichtfüßig als Kommunisten verteufelt werden.
Quellenangaben:
[1] Powers,Richard G.: Die Macht im Hintergrund – J. Edgar Hoover und das FBI, Kindler, München, 1988, S.17-47
[2] Powers,Richard G.: Die Macht im Hintergrund – J. Edgar Hoover und das FBI, Kindler, München 1988, S.63 -67
[3] Kiel,R. Andrew: J. Edgar Hoover – The Father of the Cold War, University Press of America, Lanham, 2000
[4] Burrough, Bryan: Public Enemies – America's Greatest Crime Wave and the Birth of the FBI 1933-1934, The Penguin Press, New York, 2004, S.xii
[5] US Senate: Intelligence Activities and the Rights of Americans: 1976 Us Senate Report on Illegal Wiretaps and Domestic Spying by the FBI, CIA and NSA, Red and Black Publishers, 2008, Buch III, S.6
[6] Theoharis, Athan: From the Secret Files of J. Edgar Hoover, Ivan R. Dee, Chicago 1991